Die Katharer und der Tourismus

Die Katharer (griechisch, die “Reinen”) oder auch Albigenser (nach der Stadt Albi) waren die Anhänger der bekanntesten “ketzerischen” Strömung des mittelalterlichen Christentums. Die Bewegung existierte vom 12. bis zum Anfang des 14. Jahrhnderts, vor allem im südfranzösischen Languedoc/Okzitanien, aber auch in Italien, Spanien und Deutschland.

In ihrem Hauptverbreitungsgebiet in Südfrankreich waren die Katharer sehr positiv angesehen. Hier regierten vor allem kleinere Fürsten, aber auch die grossen Grafen von Toulouse, die sich von der französischen Krone abgrenzen wollten. Mit ihrer authentischen Sittlichkeit und materiellen Bescheidenheit übte die katharische Kirche einen positiven Einfluss auf die Bevölkerung aus. Männer wie Frauen predigten in der Volkssprache und die Armut, Bescheidenheit und Enthaltsamkeit, die sie predigten, stand im Gegensatz zur damals oft recht ausschweifenden Lebensweise der Funktionsträger der katholischen Kirche.

Für die Kirche waren die Katharer als regional etablierte und beliebte Gegenkirche eine gefährliche neue Bedrohung. Oder vielleicht auch nur von Kirche und Königen als solche an die Wand gemalt und für die übliche Machtpolitik genutzt – Historiker sind sich uneins. 1179 wurden die Katharer jedenfalls erstmals päpstlich verurteilt und exkommuniziert. Innozenz III versuchte 1206, die Katharer gütlich wieder in den Schoss der katholischen Kirche zu bringen. Nach der Ermordung des Legaten Pierre de Castelnaus 1208 rief der Papst jedoch zum Kreuzzug, der 1209 begann.

Der Albigenserkreuzzug und die Vernichtung der Katharer

Durch diesen Albigenserkreuzzug, der in mehreren Phasen von 1209 bis 1226 stattfand und die darauf folgende flächendeckende Inquisition wurde die katharische Glaubensbewegung innerhalb der nächsten hundert Jahre vernichtet und Okzitanien effektiv ins Königreich Frankreich eingegliedert.

Zu den bekanntesten Ereignissen des Albigenserkreuzzugs gehören unter anderem die Massaker in Béziers 1209, Minerve 1210, Lavaur 1211 und der Fall von Montségur 1244. Mit Quéribus fiel die letzte Fluchtburg im Jahr 1255.

Béziers fiel 1209 als erste okzitanische Stadt dem Kreuzzug zum Opfer und mehrere tausend Einwohner wurden wahllos massakriert. Die Feuer waren so gross, dass sogar die Kathedrale St Nazaire zusammenbrach. Anlässlich des Massakers wird dem päpstlichen Legaten Amaury der Ausspruch “Tötet sie alle, Gott wird die Seinigen erkennen.” zugeschrieben. In Minerve wurden 140 Katharer verbrannt, die ihren Glauben nicht ablegen wollten, in Lavaur wurden mehrere mehrere Hundert Menschen erhängt oder verbrannt. In Montségur wurden 200 Katharer verbrannt.

“Katharerland” als Tourismusmarke

Die Geschichte rund um die Katharer ist also eigentlich alles andere als “sexy”, sondern blutig und grausam. Und doch sind die Katharer in der Region das touristische Marketinginstrument Nummer Eins.

Auch wenn niemand wirklich weiss oder sich kümmert, wer und was die Katharer waren oder was während des Kreuzzugs wirklich passierte. Die Marke “Pays Cathare” bedeutet für die Einen mittelalterliche Ritterromantik, für die Anderen esoterische Weisheit und steht insgesamt einfach nur für eine weitere verwechselbare Tourismusmarke, unter der man alles Mögliche verkaufen kann von der Wurst bis zur Burgruine.

Die wirkliche Geschichte wird, da komplex und schwer verdaulich, mehr oder weniger totgeschwiegen. Nur in Béziers erinnern Steinplatten auf der Place de la Madeleine an den 22. Juli 1209.

Und nicht einmal der okzitanische Lokalstolz, der doch beim Thema Stierkampf schönste Blüten treiben kann, stört sich daran, dass die Region damals quasi von der französischen Krone enteignet und entmachtet wurde.

Das touristische Konzept des “Katharerlandes” wurde ab 1980 entwickelt, im Zuge der Dezentralisierungsbemühungen der damaligen sozialistischen Regierung. Die Regionen sollten sich auf ihre eigene Identität besinnen und diese entwickeln, um die rapide Entvölkerung vor allem der Randregionen umzukehren. 1992 entstand dann die offizielle Marke des “Pays Cathare” mit allem dazugehörigen Marketing wie Katharerkäse, katharisches Hühnchen, katharische Restaurants, etc. Besucher können Pässe kaufen für selbstgeführte Touren “auf den Spuren der Katharer”, mit zehn Burgen, acht Abteien und zehn Städten, darunter

  • Chateau d’Usson
  • Chateau de Termes
  • Chateau d’Arques
  • Chateau de Puilaurens
  • Chateau de Quéribus
  • Chateau de Villerouge-Termenes
  • Chateau de Montségur
  • Chateau d’Aguilar
  • Chateau de Peyrepertuse
  • Chateau de Saissac
  • Chateau de Lastours
  • Chateau et Cité de Carcassonne
  • Abbaye de Fontfroide
  • Abbaye de Villelongue
  • Abbaye de Saint Hilaire
  • Abbaye de Caunes Minervois
  • Abbaye de Saint Papoul
  • Abbaye d’Alet-les-Bains
  • Abbaye et Cité de Lagrasse
  • Fanjeaux

Einzig das Musée du Catharisme in Mazamet, eine 300m2 grosse Ausstellung, nimmt lobenswerterweise Bezug auf die historischen Hintergründe.

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