Krankenversichert in Frankreich

Das französische Gesundheits- und Krankenversicherungssystem ist hervorragend, aber nicht ganz einfach zu verstehen.

Die staatliche Krankenversicherung ist Teil des gesamten Sozialversicherungssystems, das über Sozialabgaben finanziert wird. Jeder Einwohner zahlt je nach Einkommen Beiträge und erhält dafür nach Bedarf Sozialleistungen wie Krankenversicherung, Mutterschutz, Sozialhilfe, Kindergeld, Rente, etc.

CPAM und AMELI

Die staatliche Krankenversicherung ist für die allermeisten Versicherten in Frankreich die CPAM (Caisse primaire assurance maladie) und so heissen auch die regionalen Anlaufstellen. Die Internetseite, über die alle Informationen oder Kommunikation laufen, heisst jedoch AMELI (Assurance Maladie En Ligne). Dort gibt es auch einen separaten, gesicherten “Espace Santé”, wo man alle seine Patientendaten eintragen und hochladen kann und den theoretisch auch Ärzte und andere Gesundheitsdienstleister nutzen können, um Informationen wie z.B. Laborresultate abzurufen oder hochzuladen. In der Praxis kommt es jedoch sehr drauf an, ob dieses “Dossier médical partagé (DMP)” tatsächlich auch genutzt wird.

Was übernimmt die CPAM?

Die CPAM übernimmt einen festgelegten Teil der Kosten für die meisten wichtigen Gesundheitsdienstleistungen wie Arztbesuche, Medikamente, Laboruntersuchungen, Krankenhausaufenthalte, Zahnbehandlungen, Operationen, Brillen, Hörgeräte, Impfungen und Vorsorgeuntersuchungen. Dieser Anteil ist je nach Leistung unterschiedlich, z.B. sind es aktuell 70% für einen Hausarztbesuch, 60% für eine Kariesbehandlung, 60% für Krankenhausaufenthalte, 60% für eine Brille, etc.
Achtung: Das sind nicht 60% der Gesamtkosten, sondern 60% der Erstattungsbasis (Base de Remboursement). Dazu kommen wir gleich noch.

Was ist eine Mutuelle?

Der Rest der Kosten kann mehr oder weniger über so genannte “Mutuelles Santé”, das sind freiwillige Zusatzversicherungen, abgedeckt werden. Arbeitnehmer haben meist eine günstige Mutuelle über ihren Arbeitgeber. Alle Anderen entscheiden und bezahlen ihre Mutuelle selbst.

Das Angebot an Mutuelles ist riesig und allgemeingültige Empfehlungen sind nicht möglich. Man muss, auf der Basis seiner Bedürfnisse und Wünsche, Angebote einholen und vergleichen. Dazu gibt es jede Menge Vergleichsportale im Internet, wo man innerhalb von Minuten Angebote gemailt bekommt.

Eigentlich ganz einfach.

Aber genau da wird es sehr kompliziert. Denn wenn man nicht versteht, was eigentlich nun wirklich erstattet wird, sieht man in diesen Angeboten nur Äpfel und Orangen. Und ich denke, das ist zum Grossteil auch so gewollt. Je schwieriger der Vergleich, desto eher die Tendenz, einfach die vermeintlich grösste Erstattung oder die kleinste Monatsprämie zu wählen. Aber jede Mutuelle packt ihr Köfferchen anders und was nach viel aussieht, ist es nicht immer.

Also wie funktioniert das mit den Erstattungen?

Dazu muss man zuerst einmal wissen:

  • Nicht alle Leistungen werden erstattet, besonders nicht im Bereich Zahnprothesen, Brille, Hörgeräte, alternative Medizin… Hier arbeiten die Mutuelles entweder mit prozentualen Erstattungen oder Pauschalbeträgen oder mit beidem – sowie oft auch mit Maximalbeträgen pro Jahr und/oder Bonussen: Im 2. oder 3. Jahr wird mehr bezahlt. Dafür geht dann oft auch die Prämie hoch…
  • Nicht alle ärztlichen Leistungen werden gleich bezahlt. Es kommt unter anderem darauf an, ob der Arzt zum Sektor 1 oder 2 gehört. Im Sektor 2 kann er seine Honorare frei gestalten und ist nicht an die von der CPAM festgelegten Tarife gebunden.
  • Bei den prozentualen Erstattungen geht es, wie oben angemerkt, nicht um eine prozentuale Erstattung der Gesamtkosten, sondern um die prozentuale Erstattung der so genannten “Base de Remboursement” (BR), die von der CPAM festgelegt ist.

Am Beispiel einer Zahnkrone:

Kosten der Krone = 500€
Base de Remboursement = 120€
Erstattung durch CPAM für bestimmte Kronen = 60% = 72€

Eine Mutelle mit 100% Erstattung für Zahnkronen zahlt soviel, dass zusammen mit der CPAM-Erstattung 100% der Base de Remboursement erreicht werden = 120€
D.h. es bleiben 380€, die privat bezahlt werden müssen.

Eine Mutelle mit 200% Erstattung für Zahnkronen zahlt soviel, dass zusammen mit der CPAM-Erstattung 200% der Base de Remboursement erreicht werden = 240€
D.h. es bleiben 260€, die privat bezahlt werden müssen.

Eine Mutuelle mit einer Pauschalerstattung von 400€ zahlt diese 400€, dazu kommt die CPAM-Erstattung von 72€ = 472€ insgesamt.
Es bleiben 28€, die privat bezahlt werden müssen.

Eine Mutuelle mit 100% + 300€ Pauschalbetrag erstattet soviel, dass zusammen mit der CPAM-Erstattung 100% der Base de Remboursement erreicht werden = 120€ und tut noch 300€ drauf = insgesamt also 420€.
Es bleiben 80€, die privat bezahlt werden müssen.

Wie vergleicht man Mutuelles?

Die allerwichtigsten Leistungen sind entweder nicht allzu teuer und/oder werden recht gut erstattet. Es ist daher sinnvoll, sich vor allem zu überlegen, welchen Bedarf man im Bereich Krankenhaus, Brillen/Linsen, Hörgeräte, Zahnprothesen, alternative Medizin, etc. hat. Denn hier sind die Leistungen extrem unterschiedlich und jede Mutuelle rechnet sie anders.

Ich habe beim letzten Versicherungswechsel daher die verschiedenen Angebote der Mutuelle vor allem auf folgende Leistungen verglichen:

  • Hör-Prothesen Klasse 2: Angebote von 100% bis 100% + 800€
  • Komplexe Brillen Klasse 2: Angebote von 200€ bis 375€ für Brille+Gläser
  • Refraktive Chirurgie: Angebote von 0€ bis 150€ pro Auge
  • Einzelzimmer im Krankenhaus: Angebote von 20€ bis 70€ pro Tag, mit/ohne jährliches Maximum an Tagen
  • Alternative Medizin: Angebote von 0€ bis 100€ pro Jahr/Dienstleister
  • Zahnprothesen: Angebote von 150€/Jahr bis 200%, je nach Leistung
  • Monatliche Beiträge: Angebote zwischen 120€ und 205€ für uns beide

Muss man denn überhaupt eine Mutuelle haben?

Nein, muss man nicht. Es besteht keine Pflicht, eine Mutuelle als zusätzliche Krankenversicherung zu haben.

Manche entscheiden sich daher auch, die monatlichen Prämien lieber selbst anzusparen und das kann sich je nach Gesundheitszustand finanziell durchaus lohnen. Es gibt auch Mutuelles, die nur Krankenhausaufenthalte abdecken und dementsprechend wenig kosten.

Ein Anreiz für eine Mutelle liegt jedoch im so genannten “100% Santé”-Angebot für Brillen, Hörgeräte und Zahnprothesen. Das gibt es nur im Zusammenhang mit einer umfassenden Mutuelle als Zusatzversicherung.

Dieses 100% Santé-Angebot wurde 2021 vom Staat ins Leben gerufen, um möglichst vielen Menschen, die sie brauchen, Brillen, Hörgeräte oder Zahnprothesen zu ermöglichen. Im Rahmen dieses Angebots werden Kosten für Brillen, Hörgeräte oder die wichtigsten Zahnprothesen vollständig von der CPAM und der Mutuelle übernommen. Natürlich ist das Angebot entsprechend begrenzt und enthalt nicht unbedingt die neusten, modernsten und schicksten Geräte und Prothesen.

Wir haben uns letztendlich entschlossen, eine sehr preisgünstige Mutuelle abzuschliessen, für eine gewisse Grundsicherung und Zugang zu diesem Angebot.


Übrigens:

Mehr zu den Bedingungen und zum Prozedere für die Aufnahme in die staatliche Krankenversicherung gibt es bei Ute Pantel, Relocation Toulouse.



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