Beim Zahnarzt in Frankreich und der Schweiz

Der Zahnarzt erweist sich zum guten Glück bisher als der am meisten aufgesuchte Typus Arzt in meinem Leben. Nicht dass ich es lustig fände, viel Zeit im Gestühl des Zahnarztes zu verbringen, doch hatte ich einerseits immer wieder mal Probleme mit den Zähnen und andererseits empfand ich den Zahnarzt stets als eine Art Mechaniker, von höchst interessantem Gerät umgeben. Beim Zahnarzt geht es nicht um Leben und Tod.

In Frankreich war ich auch schon beim Zahnarzt. Mir ist eben eine Zahnkrone herausgefallen, nach sieben Beiss- und Kau-Jahren notabene. Das ist kein Notfall, stelle ich fest. Ich muss also wie jede und jeder andere auch, drei bis vier Wochen warten, bis ich drankomme. Um die Kosten mache ich mir keine Sorgen. Meine Mutuelle (Zusatzversicherung) kommt teilweise dafür auf und die Grundversicherung entschädigt auch noch einen Teil der Kosten.

Das ist schon einmal ein erheblicher Unterschied zur guten alten Schweiz, das Eldorado der Zahnärzte schlechthin. Das Land, wo Zahnärzte mit eigenen Praxen die besten Parzellen an den aussichtsreichen Flanken der Goldhügel bebauten und bewohnen und ihre Pools bebaden. Sie sind geachtet und respektiert, obwohl immer mehr Eidgenossen für die grosse Revision mit den Implantaten und dergleichen dann doch heimlich einen Kurzurlaub in Budapest buchen, ohne über den Zweck der Reise Aufhebens zu machen.

Schweizer Zahnärzte sind auch hocheffizient. Sie haben zum Beispiel vor Jahren schon das Berufsbild der Dentalhygiene (Mann oder Frau) geschaffen, damit sie sich mit der langweiligen und zeitraubenden Reinigung von Gebissen nicht selbst herumschlagen müssen. Man begibt sich also vertrauensvoll einmal bis zweimal im Jahr zusätzlich noch in die kundigen Hände der Dental-Hygienenden*. Das kostet zusätzlich und schmerzt auch noch zusätzlich. Man muss sich zusätzlich auch noch mit sorgenvoll-mahnenden Blicken dieser Fachpersonen auseinandersetzen und erfährt schreckliche Szenarien, die meistens das Zahnfleisch betreffen. Man betritt eine fiktive Welt des Grauens, die es nicht gäbe, wenn man nicht plötzlich darauf aufmerksam gemacht würde. Das kann zur Verzweiflung führen und zu respektlosen Reaktionen. So nannte ich meine damalige Dentalhygienikerin einmal «die Frau von der Gestapo», als mein Zahnarzt anwesend war.

Natürlich kann die Frau nichts für ihren Beruf, auf den sie stolz ist und den es in Frankreich gar nicht gibt. Der Zahnarzt hier macht die «Nettoyage» am Schluss der Behandlung selbst und braucht dafür im Höchstfall zehn Minuten.

* Man kann getrost von den Dentalhygienikerinnen sprechen. Ich habe in der Schweiz noch keinen Mann erlebt, der diesen Beruf ausübte.

Der rituelle Charakter einer Zahnbehandlung unterscheidet sich ebenfalls wesentlich. In der Schweiz wurde ich jeweils in den Behandlungsraum geführt und von einer Assistentin auf die bevorstehende Behandlung vorbereitet. Ich bekam ein, von Metallklammern fixiertes, Papierserviettchen umgebunden und musste mit einer bitteren Lösung mindestens eine Minute meinen Mund spülen. Dann durfte ich, etwas ängstlich vielleicht, konzentriert aber in jedem Fall und mindestens fünf Minuten lang die baldige Ankunft des Maestros erwarten.

Hier betrete ich den Behandlungsraum gleich mit dem Zahnarzt, der mich im Wartezimmer abgeholt hat und der Behandlungsraum ist auch sein Büro. Alles geht unkompliziert und einen Assistenten oder eine Assistentin bekomme ich nur dann zu Gesicht, wenn es wirklich kompliziert wird, wenn der Dentiste das Gerät für die UV-Härtung der High-Tech-Füllungen aus irgendeinem Grund nicht selbst halten kann, oder das Absaugen des Speichels ganz besondere Beachtung erfordert. Oder wenn besagter Assistent auf der Suche nach Irgendetwas ist, dass sich in einem Schrank im Behandlungsraum befindet, oder vielleicht auch nicht.

Mein Dentiste trägt eine einfache Gesichtsmaske, so wie sie uns dank Covid in bester Erinnerung ist. Auf die Gesichtsinstallationen der Schweizer Zahnärzte, mit grossflächigen Verglasungen und darunter befindlichen Optiken, die im Spektrum von Cyborg bis Olympia-Präzisionsschütze eingeordnet werden können, wird verzichtet.

Ich vermisse den Brimborium nicht, dieses medizinische Gehabe rund um weitgehend mechanische Behandlungen in Verbindung mit einfachen medizinischen Therapien, die zudem oberflächlich angewandt werden. Die explizite Zurschaustellung von Personal, welches zu Diensten steht, meistens Frauen in adretten weissen Gewändern, stets präsent und höflich, vermisse ich auch nicht. Für die hohen Gesundheitskosten in der Schweiz können die Zahnärzte nichts. Die meisten Patienten bezahlen die Zeche aus dem eigenen Portemonnaie und belasten die Allgemeinheit nicht. Kosten tut es aber eine ganze Menge.

Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob sie es hier besser machen, aber sie machen wenigstens nicht so ein Theater.

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