Wie man Weihnachten abschafft

Wie man Weihnachten abschafft

Ein Bekannter wünschte mir eben eine leuchtende Adventszeit. Das war gut gemeint. Die Adventszeit meiner Kindheit war ein Ärgernis. Beim Adventskranz muss man die vier Kerzen nacheinander anzünden, jeweils am Sonntag. Mich störte, dass sie an Weihnachten dann unterschiedlich hoch waren. Die Kerze vom ersten Advent war schon beinahe vollständig verbraucht und die vom vierten Advent noch ganz neu. Ich schlug meiner Mutter vor, die vier Kerzen schon am ersten Advent anzuzünden, damit es gleichmässiger und schöner ausschaut. Das wollte sie aber nicht, weil man das nicht macht. Es sei eben Tradition.

Der Adventskalender funktioniert ähnlich. Man darf nicht alle Türchen gleichzeitig öffnen, sondern der Reihe nach, eins nach dem anderen. Die meisten Kinder können ihre Neugier nicht beherrschen, warum sollten sie auch, und öffnen schon mal vorsichtig das nächste Türchen, um es dann vorsichtig wieder zu verschliessen, damit man es nicht merkt. Ich nahm gleich die Abkürzung und schaute hinter das letzte Türchen, das Grosse. Heute öffnen sie das Türchen und dann öffnen sie TikTok.

Die Adventszeit ist eine Art Countdown. Kerzen wie Türchen, eins nach dem anderen. Die Spannung steigt. Am sechsten Dezember kommt dann noch der Sankt Nikolaus dazu. Er passt zwar ganz und gar nicht ins Adventskonzept, aber die Mischung von Angst vor der «Fitze» und Freude an der Bescherung fand immer ein gutes Ende. Bevor man an die Reihe kam, schiss man fast in die Hose, heulte gar, man versuchte sich an das Verslein zu erinnern, danach hatte man endlich das Säcklein in Händen und die Tränen trockneten.

Die Weihnachtsmärkte sind überall, so wie es die Oktoberfeste waren. Holzhüttchen auf Dorfplätzen und in Bahnhofshallen. Vollgestopft mit sinnlosem Ramsch. Lebkuchen kleben am Gaumen. Glühwein steigt in den Kopf.

Dann damals Weihnachten feiern: Der schöne Baum, der Geruch der brennenden Kerzen, die vielen Geschenke, das Fondue Chinoise. Die weichen Geschenke: Socken oder Pulli, besinnliche Freude ausstrahlen, artig bedanken. Die harten Geschenke: Fühlt sich nach Franz Carl Weber an, grosse Freude. Das Geschenk für meine Mutter: Wo finde ich es bloss unter dem Baum? Wo haben sie es hingelegt? Ich finde es, sie freut sich sehr über das selbst geflochtene Körbchen. Ich fand es später wieder, als ich die Wohnung der Eltern räumen musste.

Später wurde das Schenken ein schwieriges Unterfangen. Am besten verwahrte man die Kaufquittung. Nach Weihnachten sind die Geschäfte voll wie nie zuvor. Der Umtausch blüht. Jeder Umtausch war das falsche Geschenk. Ich bekam von meiner Mutter jedes Jahr dasselbe Rasierwasser und freute mich sogar. Das Geschenk meines Vaters hatte meine Mutter gekauft. Als ich mich bei ihm bedankte, lachte er. Er hatte keine Ahnung, wofür ich mich bei ihm bedankte. Die «Schenkerei» wurde zur Farce. Unser Lachen und die freudigen Dankesworte änderten nichts daran.

Dann beschlossen wir: Keine Geschenke! Ausnahme: Die Kinder. Die Schwiegermutter hielt sich nie an die Abmachung. Meine Eltern protestierten. Schwiegermutter freute sich diebisch über die peinliche Situation.

Bei jedem Geschenk sagen wir: «Das wäre doch nicht nötig gewesen!». – Stimmt. Es war unnötig.

Weihnachten und Neujahr sind Freitage. Ausser an Wochenenden. Dann hat man Pech. Alle paar Jahre ist es wieder so weit: Heiligabend fällt auf einen Samstag, Weihnachten ist der Sonntag. Silvester ist wieder ein Samstag und Neujahr wieder ein Sonntag. Die Ausbeute an zusätzlichen Freitagen ist minimal. Man fühlt sich betrogen. Die Sozialisten fordern zusätzliche Freitage, wenn die Feiertage auf die Sonntage fallen.  

Wir haben Weihnachten abgeschafft.


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