Weinparadies Languedoc?

Weinparadies Languedoc?

Das Languedoc-Roussillon ist das grösste Weinbaugebiet Frankreichs mit einer bestockten Rebfläche von fast 290’000 Hektar (Stand 2005). Es besteht aus den Departments Aude, Gard, Hérault und Pyrenées-Orientales. Der Weinbau hat hier seit der Antike eine lange Tradition, auch wenn er zwischen 1850 und dem Ende des 19. Jahrhunderts von diversen Reblaus- und Mehltau-Katastrophen gebeutelt wurde. Das Languedoc-Roussillon wurde danach zwar wieder zum bedeutenden Produzenten (40% der französischen Gesamtproduktion), wurde aber lange den Ruf des Billigweins oder “Vin de Merde” nicht los.

In den 1970ern besann man sich auf hochwertigere Rebsorten und die Produktion von Qualitätswein und seitdem wurden und werden in dieser Region sehr gute Weine hergestellt. Auch wenn es hier (noch) keine Stars von allgemein bekannter Berühmtheit gibt wie im Burgund oder Bordeaux, muss man wirklich grosses Pech haben, um einen schlechten Wein zu erwischen. Und auch ein sehr guter Wein kostet hier vergleichsweise wenig.

Im Supermarkt haben wir die Qual der Wahl mit Weinen sowohl aus der Region als auch aus ganz Frankreich. Weshalb wir unseren Wein nun nur noch bei in einem kleinen Laden in Capestang (Cellar Concept) kaufen, der hyperlokale und sehr gute Weine aus den Dörfern der Gegend anbietet – zu denselben Preisen, wie man sie auch direkt beim Anbieter bezahlen würde.

In unserem Départment Hérault bauen 80% aller Landwirtschaftsbetriebe Wein an. Dreiviertel von ihnen sind Klein- oder Mikrobetriebe. Insgesamt werden im Hérault pro Jahr 5 Millionen Hektoliter Wein produziert. Zwischen 2010 und 2020 nahm die Zahl der Anbaubetriebe um 20% ab, die bebaute Fläche um 10%. Im gleichen Zeitraum hat sich die Produktion um 12% gesteigert und auch die Anbaufläche von Bioweinen wurde um 17% vergrössert. Es gibt also immer mehr Wein und immer mehr guten Wein – und dennoch steckt der Weinbau auch hier in der Krise.

Es gibt zu viel Wein

In Frankreich herrscht ein riesiger Weinüberschuss – auch im Languedoc. Die Keller sind noch aus den Vorjahren gefüllt und jedes Jahr kommt eine neue riesige Produktionsmenge – wohin damit? Der Staat soll es richten und der bezahlt mittlerweile Weinbauern dafür, wenn sie ihre Flaschen vom Markt nehmen und in die Kanalisation schütten oder zu Industriealkohol verarbeiten.

Es wird weniger Wein getrunken

1960 wurde in Frankreich noch 128 Liter Wein pro Einwohner und Jahr gebechert. 2022 waren es noch 25.5 Liter. Die Gründe sind vielfältig. Lebenstil und Ernährungsweise haben sich geändert. Man trinkt allgemein weniger Alkohol und wenn man trinkt, sind heute auch Bier und andere Getränke sehr beliebt. Dazu kam die Corona-Pandemie mit großflächigen Schließungen im Gastronomiebereich, dann die Energiekrise und die hohe Inflation, die sich negativ auf die Kaufkraft der Haushalte auswirkt – man verzichtet auf nicht-essentielle Produkte.

Es wird immer schwieriger, Wein anzubauen

Weinstöcke kommen zwar mit wenig Wasser aus, aber auch nicht ganz ohne Wasser. Dementsprechend sieht man überall auf den Weinflächen grosse Wasserhähne und Schläuche zur Bewässerung. Da jedoch mittlerweile schon im März Krisenstatus herrscht, was die Grundwasserspiegel betrifft, hat das Bewässern dieser riesigen Flächen einfach keine Zukunft. Man sucht nach alternativen Traubensorten, die sowohl der Trockenheit als auch dem Mehltau widerstehen können. Manche Weinbauern versuchen neue Techniken wie Mulchen und Gründünger, um den Boden bedeckt zu halten, probieren traditionelle Schnittmethoden, bei denen die Trauben besser beschattet werden, etc. Andere schlagen weiterhin mit der chemischen Keule um sich, laugen den Boden weiter aus – und rufen nach dem Staat. Mancherorts versucht man es mit anderen Kulturen wie Granatapfel- oder Feigenbäumen, Pistazien, Aloe Vera, Hanf oder Kräutern wie Thymian oder Rosmarin – was meist aber nur ein Zusatzanbau ist und die Erträge des Weins nicht schnell und nicht ganz ersetzen kann. Im Départment plant man nun auch Staubecken in den Hügeln, die im Winter aus den Flüssen Rhone, Hérault oder Orb gespeist würden und im Sommer für die Landwirtschaft zum Einsatz kommen könnten.

Wer sich weiterführend für das Thema interessiert, findet hier interessante Statistiken und Berichte:
Biterre Magazine

Unsere Empfehlungen für lokale Weine

Es gibt zahllose Winzer in dieser Gegend und wir sind noch nicht dazu gekommen, alle zu testen – und werden es auch nie schaffen. Aber das ist mal ein Anfang und wir werden die Liste weiterführen:

Vin de Merde?

Nachdem er immer wieder hören musste, dass Languedoc-Weine trotz aller Anstrengungen der Winzer als Vins de Merde bezeichnet wurden, riss dem Gastronomen Jean-Marc Speziale die Hutschnur. Er beschloss, daraus eine Marke zu machen mit der Schmeissfliege als Markenzeichen, um die Winzer seiner Region im Gard zu unterstützen.

Mehr dazu auf dieser Seite: Le Vin de Merde

Le Vin de Merde


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