Die Macht der Entscheidung

Die Macht der Entscheidung

Ich habe mein ganzes Leben lang nie lange nachgedacht. Entscheide fielen schnell, aber nicht spontan. Es war eher so, dass ich die Kriterien schnell überdachte, abstrahierte, priorisierte und dann entschied. Schon früh stellte ich fest, dass eine gute, grobe Schätzung viel schneller geht als eine exakte Analyse. Die grobe Schätzung entspricht aber meist sehr exakt der potentiellen Realität. Die exakte Analyse bringt nicht viel mehr als die grobe Schätzung. Die Differenz ist meist so klein, dass die Entscheidung nicht anders ausgefallen wäre, wenn ich länger nachgedacht hätte. – Sowohl bei den richtigen als auch bei den falschen Entscheiden. Exakte Analysen hätten auch die falschen Entscheide nicht verhindert.

Wenn man zu lange nachdenkt, läuft man Gefahr, nicht zu entscheiden. Man wiederholt dieselben Gedanken immer wieder. Plötzlich türmen sich potenzielle Gefahren auf. Dann sucht man vielleicht Rat und wenn man ihn bekommt, misstraut man auch dem und am Ende sich selbst.

Es war eine schnelle und richtige Entscheidung, unser Haus in Capestang zu kaufen. Die Grundlage für den schnellen Entscheid war damals, nach der Besichtigung, die Frage: Warum wollen sie das Haus nur verkaufen?  Alles reduzierte sich auf diese Frage. NIEMAND verkauft ein Haus wie dieses. Nicht in diesem Zustand. Man bekommt in ganz Frankreich kein Haus mit Baujahr 1970 in diesem Zustand und Konstellation zum Kauf angeboten. Das ist wohl überspitzt. Gewiss gab es Gründe, doch für uns waren sie nicht relevant. Letzteres war entscheidend.

Verstehen Sie jetzt, was ich mit Abstrahierung meine? Man muss das Irrelevante ausschliessen.

Hierzulande hat der Käufer einer Immobilie mehr Rechte als der Verkäufer. Bietet der Käufer den verlangten Preis, dann kann der Verkäufer nicht zurücktreten, auch dann nicht, wenn er nicht mehr verkaufen wollte, oder ein besseres Angebot erhielte. Der Würfel ist geworfen (Alea jacta est). Das ist vorteilhaft für Leute, die schnell entscheiden.

Der Entscheid bekommt die Macht, die ihm zusteht.

Ich wollte, es wäre häufiger so gewesen.

Photo by Kyle Glenn


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