Tipps für die Haussuche in Frankreich
Wir sind jeden Tag froh, dass wir damals dieses Haus hier und damit auch Capestang als Ort für unser weiteres Leben ausgewählt haben. Denn jeden Tag zeigt sich, wie wichtig nicht nur die Wohnqualität des Hauses selbst ist, sondern auch das Drumherum, die Infrastruktur einer Gemeinde. Besonders wenn man nicht nur Ferien macht, sondern 365 Tage im Jahr hier lebt.
Es mag auf den ersten Blick reizvoll scheinen, ein altes Bauernhaus oder romantisches Schlösschen in einem winzigen, verwunschenen Dörfchen zu kaufen und zu bewohnen. Es kann aber sehr mühsam werden, wenn man dann für alles und jedes ins Auto sitzen und in den nächsten grösseren Ort fahren muss.
Wir selbst hatten das damals gar nicht so auf dem Radar. Die Anwesenheit einer Tierarztpraxis war zwar ein Entscheidungskriterium für Capestang und gegen Cessenon, aber die Wichtigkeit und Convenience von allem anderen hat sich erst im Alltag der letzten Monate gezeigt.
Hier daher mal ein paar Entscheidungskriterien – die Liste ist sicher nicht abschliessend, aber ein Anfang:
Apotheken
Sind weniger das Problem. Im Gegenteil, selbst im ländlichen Frankreich scheinen die flimmernden grünen Leuchtreklamekreuze der Apotheken allgegenwärtig. Dennoch ein Punkt, den man mit abhaken können sollte.
Ärzte
In Frankreich herrscht, besonders in ländlichen Gebieten, ein grosser Ärztemangel. Viele Ärzte, ob Allgemeinmediziner oder Spezialisten, nehmen gar keine neuen Patienten an oder sind auf Monate hinaus ausgebucht. In Capestang hat die Gemeinde auf eigene Kosten ein Centre Medical eröffnet und dafür mehrere allgemeinmedizinische Ärzte angestellt, um die medizinische Versorgung der Gemeinde zu sichern. Wer in Capestang wohnt, kann dieses Centre Medical nutzen. Wer 5 Minuten entfernt im benachbarten Puisserguier wohnt, hat keinen Anspruch darauf.
Für Spezialisten oder Krankenhäuser muss man nach Béziers oder Narbonne.
Tierarzt
Hunde sind wahrscheinlich einfacher, aber die meisten Katzen (wie unsere) hassen das Autofahren und machen ein Riesendrama aus jeder Sekunde im Auto. Und auch bei Notfällen ist es gut, wenn man bis zum nächsten Tierarzt keine halbe Stunde fahren muss.
Schulen und Kinderbetreuung
Für uns kein Thema mehr, für viele Familien dennoch sehr wichtig: Wie sieht es mit Kindergärten, Kindertagesstätten, Grundschulen und weiterführenden Schulen in der Gemeinde aus?
Einkaufen
Einen “Tante Emma”-Laden bieten viele Dörfer und auch beim Bäcker oder Metzger im Dorf findet man vielleicht das eine oder andere wie Milch, Eier oder Mehl. Ein Supermarkt für den Gesamteinkauf ist dennoch eine feine Sache und wenn man sogar zu Fuss dahin kommt, ist das sehr praktisch.
Tankstellen
In Frankreich muss man auf dem Land nicht selten eine ganze Weile fahren, bevor man eine Tankstelle findet. Doppelt blöd, falls dann die Raffineriearbeiter mal wieder streiken und die nächste Tankstelle leer ist.
Preisniveau /Lebenshaltungskosten
In kleinen Dörfern, die etwas abseits liegen, sind die Häuser oft sehr viel günstiger. Dafür fehlt es dann eben an Infrastruktur oder Community. Und je nachdem wie weit “ausserhalb” man liegt, kann es auch schwierig werden, Handwerker zu finden für Reparaturen oder Renovationen.
Restaurants
Gibt es Restaurants am Ort, zu denen man auch mal zu Fuss gehen kann oder muss man jedes Mal ins Auto steigen und darf dann nichts trinken?
Community und Unterhaltung
Was passiert alles in der Gemeinde? Gibt es Kino, Theater, Flohmärkte, Sport etc.? Organisiert die Gemeinde Events oder gibt es Associations/Vereine am Ort?
Tipp: Unbedingt den lokalen Facebookgruppen beitreten und ein bisschen recherchieren, was so läuft.
Nachbarn
Wie viele Leute leben in der Nachbarschaft? Was sind das für Leute? Wir hatten uns zum Beispiel als Erstes ein ehemaliges Bahnwärterhäuschen angeschaut, sehr charmant, aber mitten im Nirgendwo, mit einem einzigen Nachbarn gegenüber. Sowas kann super gut gehen, wenn man sich gegenseitig gut versteht. Wenn es nicht gut geht, kann es aber auch ein Alptraum werden, wenn man nur diese und keine anderen Nachbarn hat.
Strassen
Es gibt Verbindungsstrassen zwischen Dörfern, die gerade mal handtuchbreit und von tiefen Strassengräben gesäumt sind. Oder auf verschlungenen Wegen und um 90-Grad-Ecken herum durch weitere Dörfer führen. Hier braucht es Nerven – vor allem nachts. Für mich war daher auch wichtig: wie gut ausgebaut sind die Strassen bis zum nächsten Ort?
Öffentlicher Verkehr
Wenn punkto Auto mal alle Stricke reissen sollten, gibt es einen Bus oder Zug in die nächste Stadt? Wie sind die regionalen und nationalen Verbindungen? Wie weit entfernt ist der nächste Bahnhof oder Flughafen mit Verbindungen in die alte Heimat?
Klima
Auch bei uns im Süden ist es nicht immer heiss. Der kalte Nordwind “Tramontane” weht manchmal nur zwei bis drei Tage, manchmal aber auch zwei Wochen am Stück. Es gibt Orte wie Narbonne, wo es besonders heftig windet und Orte wie Montpellier, die etwas geschützter liegen.
Wer gar nicht damit klarkommt, dass manchmal zwei Wochen am Stück der Wind ums Haus heult, sollte sich vielleicht eher ins Landesinnere orientieren. Wo es dann im Sommer aber oft heisser wird als an der Küste.
Grössere und kleinere Katastrophen
Kleine und grosse Wälder sind schön und schattig, sie brennen aber auch besonders gut im Sommer. Und wenn sie dann noch weit ausserhalb liegen, dauert es, bis die Feuerwehr da ist. Auch ein Häuschen in der Garrigue ist gefährdet, da die Vegetation in Hitzewellen komplett austrocknen kann.
Auch Überschwemmungen können einem das Leben schwer machen und Erdbewegungen sowieso. Hier geht es im Übrigen nicht nur um seismische Erdbeben, sondern auch um Erdbewegungen, die durch das saisonale Aufquellen und Austrocknen von Lehmböden entstehen. Viele ältere Häuser wurden hier ohne stabilisierendes Fundament direkt auf die Erde gebaut – immer wieder Risse im Mauerwerk sind daher völlig normal, bedeuten aber auch ständigen Reparaturaufwand.
Auf der Seite Georisques kann man für seine Region die wichtigsten Risiken erkennen. Die Seite funktioniert leider nicht wirklich besonders gut, daher wäre hier mit dem Makler und ggfs. der Mairie genau abzuklären, wie das Risiko rund um das spezifische Haus aussieht.
Landschaft
Capestang bietet viel, aber eine aufregende Landschaft gehört nicht zu seinen Reizen. Das Dorf liegt eher platt in der Landschaft, aus der sich von weitem her die riesige Kathedrale wie ein Raumschiff erhebt und die der Canal du Midi in all seinen Windungen durchzieht.
Wenige Kilometer weiter, zum Beispiel in Cruzy oder Quarante, wird die Landschaft viel spannender und abwechslungsreicher mit Hügeln und hübschen Wäldern. In Saint Chinian beginnen die Berge des Haut Languedoc. Dafür ist man dort natürlich weiter weg vom Meer und hat ggfs. weniger Alltags-Infrastruktur zur Verfügung.